ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A5: Eisenbahnüberführungen über die Autobahn A 5 bei Frankfurt am Main

Überführungen über die (Reichs-)Autobahnen finden bei Autobahnhistorikern gemeinhin keine große Aufmerksamkeit, weil sie nicht im Einflussbereich der Gesellschaft Reichsautobahnen lagen und der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, in seiner Zeit darauf keinen Zugriff hatte. Diese Brücken wurden vielmehr von der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft auf Basis jahrzehntelang erprobter Standards zumeist in Stahlbauweise errichtet und besaßen deshalb keine spektakuläre Ästhetik. Dennoch waren sie Teil des zeitgenössischen Baugeschehens. Bei genauem Hinsehen finden sich hier mehr Relikte aus der Reichsautobahnzeit als bei Straßenüberführungen, die im Zuge von Fahrbahnverbreiterungen inzwischen fast alle Ersatzneubauten weichen mussten. Zwei solcher Überführungen sind an der Autobahn A 5 – vom Bad Homburger Kreuz nach Süden fahrend – kurz vor dem Frankfurter Nordwestkreuz bei Betriebs-Kilometer 488,362 zu sehen.

Die unscheinbaren Bauwerke (Bild 1) sind aus der Fahrbahn-Perspektive nur flüchtig wahrnehmbar. Nicht zu erkennen ist, dass es sich in Wirklichkeit um zwei parallel zueinander verlaufende Autobahnüberführungen handelt.

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Bild 1: Ansicht der beiden Überführungen aus der Autofahrerperspektive
(Blick nach Süden)

Das zeigt erst die Untersicht und der Blick auf die Mittelpfeiler, die von der Ausführungsart her auf den Ursprung der beiden Brücken aus der Zeit des Reichsautobahnbaus hinweisen.

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Bild 2: Untersicht der beiden Überführungen
(Blick nach Westen; links Eisenbahnbrücke, rechts Straßenbrücke)

Auf der rechten Überführung verlief ursprünglich eine kleine Straße, die später von landwirtschaftlichen Fahrzeugen als Wirtschaftsweg genutzt wurde. Er ist schon seit Längerem stillgelegt worden. Die südlich gelegene Überführung dient nach wie vor der S-Bahnlinie Frankfurt – Bad Homburg – Friedrichsdorf (S 5). Die Bahnstrecke ist über 150 Jahre alt. Sie wurde 1859/60 von der privaten Bad Homburger Eisenbahn errichtet und nahm am 10. September 1860 den Personenverkehr nach Frankfurt/M. auf.

Während die Eisenbahnbrücke (grün gestrichen) laut Auskunft von Hessen Mobil Anfang der 1960er Jahre renoviert wurde, was auch an den Rollenlagern zu erkennen ist, weist die Wegüberführung noch den Originalzustand auf. Die heutigen Fahrbahnen reichen bis an die beiden 1,15 m breiten Mittelpfeiler heran, begrenzt allein durch den heute üblichen Beton-Mittelstreifenschutz.

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Bild 3: Mittelstütze der beiden Überführungen mit davor gesetztem Betonschutzplanken
(Blick nach Westen)

Mit der Errichtung der Überführungen (damals bei Bau-km 10,5 + 17,25 der Strecke 30 Frankfurt – Gießen) wurde am bereits 5.11.1934 begonnen, die endgültige Baufreigabe erfolgte allerdings erst am 20.12.1935. Beide Brücken waren am 12.5.1936 fertig gestellt, die Bauabnahme fand am 7.12.1936 statt. (Ausführung der Stahlbrücken: Humbolt-Deutz Motoren AG, Abt. Brückenbau, Köln-Kalk, und Borghaus, Dortmund; Ausführung der Widerlager und der Mittelstützen: P. Junior, Frankfurt/M.).

Technische Daten der Ursprungsbrücken:
  • Doppel-T-Träger miteinander vernietet, Querstege vermutlich geschweißt,
  • Spannweite 40,75 m,
  • Gesamtbreite 14,00 m,
  • Stützweiten jeweils 25,50 m,
  • lichte Weiten jeweils 19,80 m,
  • lichte Höhe 4,90 m.

Widerlager und –flügel bestanden/bestehen aus eisenarmiertem Schwerbeton, die Oberfläche wurde seinerzeit mit Stockhämmern aufgeraut (Prellschlag), um dem Sichtbeton den Charakter natürlichen Gesteins zu geben (Ausführung: P. Junior, Frankfurt/M.). Im Zuge der Autobahnverbreiterung zwischen 1971 und 1973 erhielten die Widerlager zur Sicherung offenbar eine Spritzbeton-Oberfläche.

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Bild 4: Kopie des Original-Plans für den Brückenanstrich, aufgestellt von Humboldt-Deutz im Oktober 1935;
von der OBK Frankfurt/M. zur Ausführung genehmigt am 6.11.1935

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Bild 5: Beeindruckend ist das Original-Rollenlager unter der Straßenbrücke

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Bild 6: Ausschnitt aus dem Originalplan von Humboldt-Deutz für die Berechnung der Rollenlager vom 6. August 1935;
von der OBR Frankfurt/M. anerkannt am 12.8.1935

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Bild 7: Zugentlastung für das unterirdische Fernmeldekabel, das im Brückenbereich
in einem jetzt durch Korrosion stark zerstörten Blechrohr verlegt worden war

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Bild 8: Blick über die Straßenbrücke nach Nordwesten.
Am Mittelpfeiler (rechts unten) ist die Prellschlag-Oberfläche gut zu sehen

Nach dem Autobahnkreuz Frankfurt-Nordwest trifft man bei Betriebs-Kilometer 489,659 auf die Eisenbahnüberführung der Strecke Frankfurt – Kronberg. Die alte Brückenkonstruktion machte um 1970 einem Ersatzneubau Platz, aber der Mittelpfeiler und das östliche Widerlager blieben erhalten und wurden für den Neubau genutzt. Diese beiden Bauteile stammen ebenfalls aus der Frühzeit des Reichsautobahnbaus (Baubeginn: 14. November 1934, Bauende: 15. April 1936; Hersteller der Widerlager und der Mittelstütze aus armiertem Schwerbeton mit Prellschlag: Ambrosius, Frankfurt/M.; Hersteller der ursprünglichen vier Doppel-T-Stahlblechträgern mit acht Querstegen: Maschinenfabrik Wiesbaden).

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Bild 9: Überführung der Eisenbahn Frankfurt – Kronberg über die A 5 bei Betriebs-km 489,659

Auch der Mittelpfeiler und das östliche Widerlager des Ersatzneubaus 1976/77 für die Überführung der Bahnstrecke Wiesbaden – Frankfurt steht noch im Originalzustand, obwohl sich das Widerlager heute bedauerlicherweise hinter einer ‚modernen’ Abschrägung aus Betonwerksteinen verbirgt (ohne Bild). Die Brücke ist nach dem Autobahnkreuz Frankfurt-West bei Betriebs-Kilometer 492,344 zu sehen. Die erste Überführung war am 27. Februar 1935 begonnen und der Bau am 17. Februar 1936 fertig gestellt worden. Ausführung durch Ph. Holzmann, Frankfurt/M. (Brückenwiderlager und Mittelpfeiler aus armiertem Schwerbeton mit Prellschlag) und Demag. Duisburg + Heinr. Lehmann, Düsseldorf (Doppel-T-Stahlblechträgern mit acht Querstegen).

© Text, Kopien der Pläne und Fotos: Reiner Ruppmann, Juli 2012/Mai 2016