Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte

Asphalt, Beton & Stein | Bau, Betrieb & Verkehr

Geschichte des „Jägerstegs", der Fußgängerbrücke zwischen den Raststätten Pfungstadt-Ost und -West

Nach Fertigstellung eines Teilstückes der Reichsautobahn Frankfurt - Mannheim im Oktober 1935, war 1939 zur Anlage eines Rastplatzes ein weiteres Stück Eschollbrücker Wald beschlagnahmt worden. Einen großen Waldverlust hatte bereits der Bau der Autobahn 1934 mit sich gebracht, denn eine ca 50 Meter breite Schneise schnitt den Wald mitten durch. Über die Autobahn in den östlichen Teil des Waldes gelangte man nun nur über eine 1934/35 gebaute Fußgängerbrücke aus Beton - den „Jägersteg".

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Die Baustelle der Reichsautobahn im Bereich Pfungstadt. Wiedergabe einer zeitgenössischen Amateuraufnahme.

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Der Jägersteg, oft auch Jägerstieg genannt, der künftig die beiden 1939 angelegten Rastplätze verbinden wird.
Wiedergabe einer zeitgenössischen Amateuraufnahme.

Dieses Waldgebiet im Osten Eschollbrückens war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt worden, indem die Gemeinde Eschollbrücken ertragsschwache Sandäcker in der benachbarten Pfungstädter Gemarkung angekauft hatte und dort einen Kiefernwald aufforstete. Dies war der Ersatz für den durch das Torfstechen vernichteten Eichwald im Westen der Eschollbrücker Gemarkung am ehemaligen Landgraben.

Mehrere Versuche der Gemeinde Eschollbrücken zur Verschiebung der Gemarkungsgrenze nach Osten bis zur Autobahn bzw. darüber hinaus soweit der Eschollbrücker Waldbesitz reichte scheiterten am Widerstand Pfungstadts (z.B. Gesuch auf Geländeabtretung vom April 1908 sowie 1951/52 und zuletzt 1963). So war die Gemeinde Eschollbrücken zwar Eigentümerin des Waldes aber dieser Wald lag auf Pfungstädter Gemarkung. Eschollbrücken musste z.B. 1951 für das Waldgelände 1800,-- DM an Grundsteuer und Beiträge zur Berufsgenossenschaft an die Gemeinde Pfungstadt bezahlen. Im Dezember 1951 beschloss der Gemeinderat, an den Landrat ein Gesuch zu richten, dass wenigstens die Autobahn die Gemarkungsgrenze zu Pfungstadt bilden solle - vergebens. Deshalb war die Namensgebung für die Tank- und Rastanlage stets Pfungstadt-Ost und Pfungstadt-West.

Beim Bau der Autobahn während des Nationalsozialismus stellte diese schwierige Gemengelage kein Problem dar. Erst nach 1945, mit der Wiedereinsetzung der kommunalen Selbstverwaltung, war diese Situation auch für die Autobahnverwaltung zur „Dauerbaustelle" geworden, die erst mit der Gebietsreform - der Eingemeindung Eschollbrückens zu Pfungstadt - quasi von oben gelöst wurde. Aber bis zu Eschollbrückens Eingemeindung zum 1.1.1977 wird diese Gemengelage besonders bei der Anlage der Standspuren, Wirtschaftswege etc. für die Tank- und Rastanlagen Pfungstadt-Ost und Pfungstadt-West stets für das Autobahnamt präsent sein. Davon aber später.

Die beiden 1939 angelegten Parkplätze östlich und westlich der Autobahn verband der schon vorhandene sogenannte Jägersteg - eine Fußgängerbrücke aus Beton, die eine gefahrlose Überquerung der Autobahn ermöglichte. Die Luftaufnahme der Raststätte aus dem Jahr 1954 zeigt den „Jäger-Steg" am linken Bildrand.

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Die Raststätte Pfungstadt-Ost 1954

Die Autobahn als Ziel von Sonntagsspaziergängen

Bereits aus der Zeit Ende der 30er Jahre finden sich in vielen Eschollbrücker Fotoalben private Fotografien, die im Bereich der Autobahn aufgenommen worden waren und Gruppen von Jugendlichen zeigen. Mit der Autobahn hatte sich für die Eschollbrücker eine neue Welt aufgetan. Autos fuhren auf der Autobahn vorbei, die nie den Weg durch Eschollbrücken gewählt hätten. Von der Fußgängerbrücke konnte man den Autoinsassen zuwinken und auf dem Rastplatz konnte man sich dort geparkte interessante und schnittige Fahrzeuge näher anschauen.

Noch vor dem Bau der Tank- und Rastanlagen hatte eine Eschollbrückerin einen Verkaufswagen für Reisebedarf auf dem Parkplatz aufgestellt und zahlte an die Gemeinde Eschollbrücken Stellplatzgebühr. Noch attraktiver für Spaziergänge wurde die Autobahn mit dem Bau der Raststätte. Da es in Eschollbrücken selbst kein Café gab, konnte man es sich auf der Terrasse der Raststätte zu Kaffee und Kuchen gemütlich machen und dem Treiben auf der Autobahn zusehen. Eine zusätzliche Attraktion war das Löwen-Baby Simba. Frau Alma Schmeisser, die Pächterin der Raststätte, hatte es bereits 1954 einem geschäftstüchtigen Fotografen gestattet, dass man sich in den Sommermonaten mit „Simba" gegen Gebühr fotografieren lassen konnte. 1958 hieß das Löwen-Baby immer noch Simba - war aber nicht mehr identisch mit dem Simba von 1954. Simba übernachtete in Eschollbrücken im Stall bei Schuster Ludwig Becker und wurde von Ludwig Schöcker mit dem Fahrrad jeden Tag zur Autobahn-Raststätte zum Fotoshooting gefahren.

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Eine schöne Erinnerung: „Fotoshooting" mit Simba 1 vor der Raststätte 1954

Bild 3
Kellner Rudolf Klein mit Simba 2 vor seiner neuen Arbeitsstätte 1956

Bild 4
Bild mit Löwe auf dem Fahrrad: Ludwig Schicker mit Löwenbaby Simba 3 beim täglichen Hin- und Rücktransport zu seiner Unterkunft in Eschollbrücken

Die Zeitung über den Pfungstädter Jägersteg

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aus: Darmstädter Tagblatt vom 25. April 1958

Heute (2016) ragen nur noch die Betonstümpfe aus der Erde und es existiert nach Schließung und Abräumung der morsch gewordenen Holzkonstruktion kein Fußgängerübergang mehr

© Wolfgang Roth Verein für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V., Januar 2016

Nachstehende Schaltfläche öffnet den Originalartikel, den Herr Roth für der Verein für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V. schrieb und dem Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte freundlicher Weise zur Verfügung stellte.



Die Fußgänger-Überführungen über die Reichsautobahnen waren 1934/35 weitgehend von den Ingenieuren der Deutschen Reichsbahn projektiert worden. Erst ab 1935 konnte sich der Architekt Paul Bonatz, der als Berater für den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Fritz Todt arbeitete, mit seiner Forderung mehr und mehr durchsetzen, dass Projektierung und Bau von Brücken, seien es große oder kleine, als Gemeinschaftsarbeit von Architekten und Ingenieuren erfolgen soll. May1 schreibt zu dieser Sachlage folgendes:

Bonatz kommt ... entgegen, dass sich Todt Ende September 1935 nach einer gemeinsam mit Pressevertretern und lokalen Würdenträgern der NSDAP durchgeführten Fahrt von Frankfurt nach Heidelberg heftig über die weiterhin mangelhafte Gestaltung mancher Überführungen ereifert:

"Die Eisenbeton-Fußwegüberführungen über die Reichsautobahn Darmstadt - Heidelberg (nach meiner Erinnerung 5 Stücke) sind nach dem Urteil all derer, die am Montag den 23.9. die Strecke befahren haben, unmöglich. Die Ausführung mit schwerem Trogträger, der dann plötzlich in der Luft abgeschnitten ist, um an senkrecht zur Brückenachse verlaufende Treppe anzuschließen, bitte ich an keiner Stelle zu wiederholen."

1 [B896144] May, Roland: Pontifex Maximus - Der Architekt Paul Bonatz und die Brücken, Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münster, 2011, S. 348