Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte

Geschichte & Verwaltung | Zeichen, Male & Inschriften am Wegesrand

Gab es Meilensteine am Alten Berlin-Hamburger Postweg im mecklenburgischen Streckenabschnitt?

Der alte Postweg von Berlin bis Hamburg zählte zu den wichtigen großen Poststraßen seiner Zeit. Auf Veranlassung von Friedrich Wilhelm (1620-1688, ab 1675 der Große Kurfürst) wurde dieser Postweg im Jahre 1654 eingerichtet. [1]

Der erste Abschnitt des alten Postweges verläuft auf brandenburgisch/preußischem Territorium; er beginnt in Berlin und verläuft in nordwestlicher Richtung über Hennigsdorf – Perleberg nach Lenzen (Elbe). Es wurden im brandenburgischen Territorium Meilensteine errichtet, die heute noch zahlreich vorhanden sind oder seit einigen Jahren wieder neu aufgestellt werden. Der zweite Abschnitt beginnt an der brandenburgisch/mecklenburgischen Grenze nordwestlich von Lenzen. Die Route führte aus Richtung Perleberg kommend über Lenzen durch Mecklenburg, zunächst über Dömitz weiter in Richtung Boizenburg (Elbe). Der mecklenburgische Abschnitt endete nahe der Palmschleuse bei Lauenburg (Elbe). Etwas östlich von dieser Schleuse befindet sich die heutige Grenze von Mecklenburg-Vorpommern zu Schleswig-Holstein. Das im Laufe der Zeit ständig drohende Hochwasser der Elbe bei Dömitz führte damals immer wieder zu Unterbrechungen des Postverkehrs, so dass man sich 1705 entschloss, die Postroute bei Dömitz von der Elbe weg zu verlegen. Der seitdem veränderte Streckenverlauf ist Gegenstand der vorliegenden Betrachtung. Im Unterschied zum brandenburgischen Streckenabschnitt sind im mecklenburgischen Streckenabschnitt heute erstaunlicherweise keine Meilensteine bekannt, obwohl es von der Bedeutung des Postweges her zu erwarten wäre.

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Abb. 1:
Postweg südlich von Lübtheen in der Streifenkarte von 1800. Am nördlichen Ortsrand von Vielank ist ein Kreis mit einer „1“ eingetragen. Dies bedeutet eine Ganzmeilenposition, hier 26 ganze Meilen von Berlin. Zwischen Benz und Volsrade ist ein Kreis und ¼ “ eingetragen; das bedeutet 26 ¼ Meilen von Berlin.

 

Eine erste bedeutende Vermessung der Gesamtstrecke fand 1800 von Berlin aus statt. Die Ergebnisse dieser Streckenvermessung wurden protokolliert und in einer Streifenkarte für Postillione dargestellt, wie das auch bei anderen großen Poststraßen getan wurde. Das Museum für Kommunikation in Berlin hat uns freundlicherweise eine Karte vom gesamten Berlin-Hamburger Postweg auf DVD bereitgestellt. [2] Seit Mai 2014 ist diese Karte auch im damals neu eröffneten Wegemuseum in Wusterhausen/Dosse (gelegen an der B 5, Berlin-Hamburg) ausgestellt.

Unsere Forschungsgruppe Meilensteine e.V. hat im Jahre 2014 erneut eine Tour im mecklenburgischen Streckenabschnitt unternommen. Eine vorherige Streckenuntersuchung seitens unserer Forschungsgruppe fand 2002 statt (Rolf Zimmermann). Für unsere Tour wurde die Streifenkarte der Vermessung von 1800 zugrunde gelegt und mit weiteren Karten, auch preußischen Messtischblättern, verglichen. In dieser Streifenkarte war der Streckenverlauf wie folgt zu erkennen:

Ab Lenzen über Eldenburg, dann Überquerung der „Königlich Preußischen und Herzoglich Meklenburgischen Gränze“, weiter über Verklas (dieser Ort existiert nicht mehr) – Caliss – Finden wir uns hier (heute in Neu Kaliß gelegen) – Wosmer Mühle – Vielank – Benz – östlich an Volsrade und Jeseniz vorbei – Lübthen – Quasel – Langenheide – Düssin – Brahlsdorf – Dersenow – Hünerbusch – Balen bis Boitzenburg (alles hier in Originalschreibweise wiedergegeben). Der mecklenburgische Streckenabschnitt endet an der „Meklenburgische und Hannövrische Gränze“ nahe östlich der genannten Palmschleuse.

In der Streifenkarte sind ebenfalls Markierungen am Postweg eingetragen, die untereinander einen Abstand von einer Viertel Meile (umgerechnet 1,88 Kilometer) besitzen. Wir nehmen an, dass diese Markierungen im Gelände noch nicht mittels wohlgeformten Steinen geschahen, sondern mittels Holzpflöcken. Vielleicht auch mit daran angenagelten Blechtafeln, worauf die Zahlenangabe „¼“, „½“ usw. für Meilen angegeben war.

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Abb. 2: Übersichtskarte südwestliches Mecklenburg. Mit Übertragungen aus einer Karte von 1800.

Verlauf des alten Berlin-Hamburger Postweges im Territorium von Mecklenburg. Versuch einer Übertragung aus der Streifenkarte von 1800 in eine Radwanderkarte aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu unserer Kontrolle der Streckenlängen wurden aktuelle Maiwald-Karten herangezogen. [3] Die weißen Quadrate stellen die übertragenen alten – hier stark vergrößerten - Vermessungspunkte im Abstand von Viertelmeilen (ca. 1,88 km) dar. Diese Kennzeichnung des Postweges, d.h. die Meilenmarkierungen, sind in der Streifenkarte mittels Kreis und Zahlenangabe direkt am Wege eingezeichnet. Dies jedoch nur im Abschnitt von Lenzen (Elbe) bis Lübtheen. Bei den anschließenden Streckenabschnitten gibt es keine direkten Streckeneintragungen mehr, sondern nur noch eine Blatteinteilung am Kartenrand. Die von mir ergänzten Zahlen bedeuten „Meilen von Berlin“.

Startpunkt unserer Forschungen ist in Lenzen (Elbe) auf dem Marktplatz. Hier steht ein restaurierter Ganzmeilenobelisk, der die Entfernung von 22 Meilen von Berlin markiert. Lenzen (Elbe) war für die Postrouten ein sehr bedeutsamer Ort. (4) Denn die Trasse ab Lenzen (Elbe) in Richtung Boizenburg – Lauenburg wurde gemeinsam von drei großen Postverbindungen genutzt; es handelte sich hier um die Postkurse von Berlin nach Hamburg, von Leipzig nach Hamburg und von Magdeburg nach Hamburg.

Unterwegs, in einem Waldgebiet südwestlich von Raddenfort, entdecken wir am Beginn einer Waldschneise einen ersten, hier interessierenden Hinweis. Es ist ein beschrifteter Findling, den wir etwas freilegten, um die unterste Schriftzeile lesen zu können. Sie lautet: „Alter Postweg Berlin-Hamburg“. Die Beschriftung ist schwarz aufgemalt. Es ist ein Gedenkstein (siehe Abb. 3).

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Abb. 3 (links): Gedenkstein am Alten Postweg bei Raddenfort (Foto: Staib/Koserow, 24.04.2014).
Abb. 4 (oben): In einer Baumrinde ein bereits deutlich eingewachsenes älteres Blechschild „Alter Postweg“. Es sieht so aus, als ob das Schild mitsamt dem Baum etwas in die Höhe gewachsen ist. – Entdeckt in Siehdichum, nahe einer Zugbrücke über die Müritz-Elde-Wasserstraße (Foto: Fredrich/Sponholz, in Vorbereitung 2013).

Im Ort Lübtheen entdecken wir im Zuge des Alten Berlin-Hamburger Postweges endlich einen Meilenstein. Doch dieser Stein, ein Obelisk, wurde erst zu einer späteren Zeit errichtet, als einige unbefestigte Hauptwege zu Chausseen ausgebaut wurden. Der Lübtheener Meilenstein zählt nicht zum „Inventar“ des untersuchten Alten Postweges Berlin-Hamburg, sondern zur späteren Chaussee Pritzier – Lübtheen. In Boizenburg (Elbe) vereinigt sich der alte Postweg mit der später erbauten Kunststraße Berlin – Hamburg (der heutigen B 5). Am östlichen Ortsrand von Lauenburg (Elbe), an der genannten Grenze, endet der mecklenburgische Abschnitt des alten Berlin-Hamburger Postweges.

Der mecklenburgische Postwegabschnitt existierte bis 1828. Danach wurde die Postverbindung auf die sogenannte „Neue Berlin-Hamburger Chaussee“ verlegt. Der Postverkehr führte nun nicht mehr von Perleberg über Lenzen bis Boizenburg, sondern von Perleberg über Ludwigslust bis Boizenburg.

Heute gibt es noch verschiedene Hinweise auf die einstige Existenz der alten Poststrecke im mecklenburgischen Abschnitt; mehrmals in Gestalt von zum Teil neuen Straßennamensschildern. Bemerkenswert ist z.B. ebenso eine große Schmiede, die in Düssin steht, welcher allerdings der Verfall droht. Dessen ungeachtet sind seit einigen Jahren regionale Bemühungen festzustellen, den alten, fast vergessenen Postweg aufleben zu lassen; so von uns beobachtet z.B. in einem größeren Waldgebiet zwischen Neu Kaliß und Woosmer.


 
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Abb. 5: Postwegverlauf bei Brahlsdorf. Die Meilenangaben sind nicht mehr am Streckenverlauf, sondern am rechten Kartenrand angegeben. „¾“ bedeutet „1 ¾ Meilen von Lübtheen“ und die „2“ bedeutet 2 Meilen von Lübtheen bzw. 29 Meilen von Berlin. Norden ist rechts.

Abb. 6: Wegabschnitt zwischen Boizenburg (Elbe) und Lauenburg (Elbe). In Höhe Vierhof ist „¼“ -, in Höhe Horst ist „½“ - und am Grenzübergang östlich der Palmschleuse bei Lauenburg ist „¾“ am rechten Kartenrand zu sehen. Umrechnung: 1 preußische Meile = 7,5324 Kilometer.

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Ergebnisse unserer Forschungen:

  • Auch bei der Suche im Jahre 2014 konnten keine Meilensteine im mecklenburgischen Streckenabschnitt des alten Berlin-Hamburger Postweges entdeckt werden.

  • Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass im mecklenburgischen Streckenabschnitt einst Meilensteine zur Aufstellung kamen. Zumindest anfänglich gab es eine messtechnische Markierung und Orientierungshilfe für Postillione an dieser Strecke.

  • Die diskutierte Postroutenkarte von 1800 zeigt auch aus heutiger Sicht relativ genau die Positionen von den Ganzmeilenabständen. So wird die Entfernung zwischen Lenzen und Boizenburg indirekt mit 9 Meilen ausgewiesen. Demgegenüber geben jedoch mehrere andere Postkurskarten, die danach in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden, die Entfernung zwischen beiden Orten mit 10 geografischen Meilen an (= 74,2 Kilometer). Meine Nachmessung auf moderner Karte ergibt knapp über 9 Meilen. Die höhere Zahl „10 Meilen“ wird hier seitens der Post eine gerundete Angabe sein – möglicherweise wegen des zum Teil sehr unwegsamen Geländes aufgerundet – und gilt für die Berechnung von Beförderungsleistungen und Briefporto.

Literatur:

  1. Stephan, Heinrich: „Geschichte der Preußischen Post“, Berlin 1859 (Reprint 1987), Seite 19.
  2. Streifenkarte „Post-Cours von BERLIN nach HAMBURG“, von 1800, Inv.-Nr. 4.0.19333 des Museums für Kommunikation Berlin.
    1. Maiwald-Karten. Offizielle Rad-, Reit- und Wanderkarte Maßstab 1:50.000, Karte Ost, Flusslandschaft Elbe, ISBN 978-3-932115-06-6,
    2. Maiwald-Karten ....., Karte West, Flusslandschaft Elbe, ISBN 978-3-932115-07-3.
    Diese beiden Kartenteile wurden 2012 herausgegeben, zum Preis von je 5,50 Euro.
  3. Grüneberg, Arthur: „Die Postmeilensäule – Zeuge der Vergangenheit“. Betrifft Meilensteine und Postkurse im weiteren Umkreis von Lenzen. – In: Schweriner Volkszeitung, Ausgabe Ludwigslust, vom 11.01.1974, Seite 8.

© Gast-Autor: Wolfgang Fredrich, Sponholz
Für diesen Beitrag hat uns die Forschungsgruppe Meilensteine e.V., Berlin, freundlicherweise das Recht zur Zweitveröffentlichung eingeräumt.

Nadel    Forschungsgruppe Meilensteine e.V.


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