Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte

Geschichte & Verwaltung | Historie & Gegenwart

Relikte des Reichsautobahnbaus in Danzig

Physische Überreste der Danziger Reichsautobahn-Aktivitäten von 1939 sind nur noch rudimentär erhalten. Dieser Beitrag zeigt anhand von Bildmaterial und Zeichnungen einige Spuren in dem vor 12 Jahren dokumentierten Zustand. Sie sehen heute anders aus oder existieren nicht mehr.

Durchlässe: Nummerierung nach dem publizierten Aufsatz „RAB-Spuren in Polen (3)“ auf dieser Website,
Blaue Pfeile: Sie geben die Richtung des jeweiligen Wasserlaufs an.

Folgende Relikte, erläutert von Nord nach Süd, sind heute noch zu erkennen:

  1. Erdgraben und Durchlass Nummer 1
     
    1. Ein Erdgraben, dessen frühere Größe und Ausdehnung in einem Ausschnitt der topografischen Karte in der oberen rechten Ecke zu sehen ist.
    2. Durchlass Nummer 1 am Siedlicki-Bach. In der ursprünglichen Version betrug seine Länge (unter der geplanten Autobahn) etwa 120 Meter. Die auf der Seite des Einlasses (links) und auf der Seite des Auslasses (rechts) sichtbaren Verbauungen sind neueren Datums – sie haben also nichts mit dem ursprünglichen Düker zu tun.
       
      Bild1
      Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

       
  2. Durchlass Nummer 2
     
    Er liegt an einem kleinen, namenlosen Wasserlauf im südlichen Bereich der heutigen Kartuska-Straße und hat eine ungefähre Länge von 60 Metern. Wahrscheinlich ist die Vorderwand des Durchlasses beschädigt.
     
    Bild2
    Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

     
  3. Durchlass Nummer 5
     
    Er befindet sich am Oruński-Bach. Ungefähre Messungen zeigen, dass der in einem Winkel von 45 Grad (zur geplanten Autobahntrasse) verlaufende Düker etwa 110 Meter lang war. Es wurde ursprünglich auf einer offenen Fläche gebaut, ist aber jetzt von dichtem Gebüsch und Dickicht umgeben. Im Jahr 2001 war der Düker verstopft, seitdem fließt der Bach von Süden um den Düker herum und umgeht das kleine Wasserbecken, das sich an der Mündung des Dükers und des alten Entwässerungskanals gebildet hatte. Das Bassin wurde vom letzten Abschnitt des Dükers teilweise weggespült, wodurch er sich absetzte; der Auslass selbst mit einem Abschnitt unbekannter Länge wurde abgetrennt und versank im Schlamm dieses Wasserbeckens.
     
    Bild3
    Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

     
  4. Durchlass Nummer 7
     
    Er liegt an einem Wasserlauf namens Potok Kowalski. Er ist etwa 35 Meter breit und entgegen dem Anschein eines flachen Geländes schwer zu fotografieren. Der Einlauf des Durchlasses auf der Westseite ist mit sumpfigem Schilf bewachsen, während die vordere Wand seines Auslaufs heute fast bis zur Oberkante vom Bachwasser überflutet wird.
     
    Bild4
    Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

     
  5. Durchlass Nummer 8
     
    Er ist der einzige original erhaltene Durchlass der „Danziger Autobahn“, der beim Bau der „Westlichen Drei-Städte-Umgehung“ (ZOT) – derzeit die Schnellstraße S6 – weiterverwendet wurde. Er liegt am örtlichen Wasserlauf St. Wojciech und ist etwa 45 Meter lang. Die Schnellstraße S6 verläuft nicht achssymmetrisch über ihn hinweg – auf der Ostseite beträgt der Abstand der Dammbasis etwa 10 Meter bis zur ursprünglichen Mündung des Dükers. Im Bereich zwischen diesen Punkten gibt es einen Streifen gedüngter und eingeebneter Erde, der deutlich unter dem Niveau der Straße S6 (siehe das Foto) liegt. Die Mündung des Dükers auf der Westseite befindet sich an der Basis der Böschung.
     
    Bild5
    Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

     
  6. Durchlass Nummer 9
     
    Der Durchlass mit einer ungefähren Länge von 75 Metern wurde an einem kleinen wasserführenden, namenlosen Feldgrabe errichtet. Seine Mündung lag etwa 25 Meter westlich vom Fuß des Damms der alten Umgehungsstraße entfernt. Im Jahr 2010 wurde dieser Düker im Rahmen des Baus eines neuen kreuzungsfreien Knotens der Schnellstraßen S6 und S7 beseitigt. Die Fotos zeigen den Beginn der Demontage zur Vorbereitung des Standorts für das Kreuzungsbauwerk. Seine Mündung lag etwa 25 Meter westlich vom Fuß des Damms der alten Umgehungsstraße entfernt, als es noch keine Schnellstraßen-Schnittstelle gab. Im Jahr 2010 wurde dieser Düker beim Baus des kreuzungsfreien Knotens der Schnellstraßen S6 und S7 beseitigt.
     
    Bild6
    Foto: © Krzyszof Wasilewski (2010),  Karte - © Open Street Maps (2022)

     
  7. Spuren im Erdreich, die nur im Luftbild zu erkennen sind
     
    Bild7
    Die größte Konzentration an erhaltenen Erdhaufen befindet sich derzeit im Wald südlich des Radunia-Flusses (das grün markierte Gebiet). Ursprünglich lagen sie entlang des Randes eines kleinen Waldes von Südosten her. Mit der Zeit vergrößerte sich seine Fläche jedoch auf die heutige Größe – und verschluckte diese Spuren. Die noch sichtbaren Erdhügel liegen nun zwischen den Bäumen und sind mit Gras und Büschen bewachsen. Der auf der Karte skizzierte Rest ist verschwunden. Wer danach forscht, wird in der Natur nichts erkennen. Allerdings ist noch nicht alles verloren – entgegen dem Anschein sind weitere Spuren der damaligen Erdarbeiten immer noch vorhanden. Sie zu finden braucht Geduld und Spürsinn.
     
    ←  © Nokia Maps (2014)
     
  1. Spuren der Erdarbeiten für die Autobahntrasse
     
    Bild8
    Manche Trassierungsarbeiten für die Autobahn werden bei günstigen Bedingungen und Zeiten auf modernen Satelliten- und Luftbildern sichtbar. Sie sind selten vollständig und klar zu erkennen - wie diese Beispielabbildung zeigt. Die breiteste Stelle einer zumeist nur schlecht sichtbaren großen kreisförmigen Ausdehnung wird von einem namenlosen Abzugsgraben gekreuzt. Hier müsste eigentlich Durchlass Nummer 10 zu finden sein, der aber nicht existiert. Derzeit gibt es keine Spuren dazu und auch kein Hinweis auf seinen Bau - dieser Frage muss weiter nachgegangen werden.
     
    Verlauf und Ende der seitwärts entlang der geplanten Trasse gelagerten Humusschichten in diesem Bereich sind im folgenden Ausschnitt einer topographischen Karte schematisch dargestellt. Die Spuren enden an einer tiefen Schlucht, die mit roten Punkten markiert sind. Bisher gibt es keine weiteren Materialien bzw. Hinweise für die Fortsetzung der Vorarbeiten in Richtung auf den nächsten „Fundort“, der nunmehr beschrieben wird.

     
Bild9
  1. Geplante Kleeblatt-Kreuzung
     
    Die markantesten Spuren der Planierungsarbeiten für die vorgesehene Kleeblatt-Kreuzung südlich Danzigs befanden sich an der RAB-Strecke Berlin-Königsberg (Kaliningrad) in der Nähe des Dorfes Będzieszyn. Dort gab es zwei Reihen von Absteck-Stangen (Holzpfosten), die jedoch im Abschnitt zwischen den blauen Punkten durch den Bau moderner Häuser im Dorf überlagert wurden. Westlich dieser Stelle verbreitert sich der Korridor und endet an den mit roten Punkten markierten Stellen.
     
    Bild10
    Einzeichnungen in die Karte: Piotr Zembrzuski

     
    Diese Markierungen weisen auf die Vorbereitungen des Dammbaus für das Überführungsbauwerk am Kleeblatt hin. Der Baubeginn und der Umfang der damaligen Arbeiten sind nicht bekannt – hier sind weitere Recherchen in Archiven und vor Ort notwendig.

Originaltext, Karten, Einzeichnungen und Layout: Piotr Zembrzuski
Fotos: © Krzyszof Wasilewski (2010)
Übersetzung aus dem Polnischen und (fach)sprachliche Redaktion: Reiner Ruppmann (Köln, 2022)